Rückblick Fachtag „Gesundheit. Vielfalt. Männlichkeit.“ HD, 22.03.24

von Pascal Hopfendorf, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin

In Heidelberg traten am 22. März 2024 im Rahmen eines noch nie dagewesenen Fachtags Expert:innen aus Theorie und Praxis der klassischen Männergesundheit sowie der Gesundheit von trans- und nichtbinären Menschen in einen überaus fruchtbaren Dialog. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Themenkomplexes der Männergesundheit wurden dabei hinsichtlich dessen aktueller Herausforderungen und Chancen auf einem hohen Niveau diskutiert. Insbesondere in Zeiten der Dekonstruktion klassischer Geschlechterbilder hat sich dieser offene Austausch als sehr ergiebig und dringend notwendig erwiesen.

Dokumentation des Fachtags „Junge Männer und ihre Gesundheit“ am 17.11.23

Die 45-seitige Dokumentation des Fachtags zum 5. Männergesundheitsbericht der Stiftung Männergesundheit „Junge Männer und ihre Gesundheit“ in Stuttgart am 17. November 2023 ist fertiggestellt und steht zum Download zur Verfügung.

Aus dem Inhalt:

Begrüßung und Einführung „Jungen- und Männergesundheit in Stuttgart“
Gunter Neubauer, SOWIT Tübingen

Boys don’t cry? Über den männlichen Umgang mit Körper und Gesundheit
Dr. Thomas Gesterkamp, Köln

Die wichtigsten Ergebnisse des fünften Männergesundheitsberichts
Prof. Dr. Kurt Miller / Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Berlin

Seit wann gilt Männlichkeit eigentlich als ungesund? Zum Ursprung des Konzepts der „Toxischen Männlichkeit“ im Kontext der Männergesundheit
Dr. Christoph Schwamm, IGEM Heidelberg

Jungen nach der Pandemie – Herausforderungen für die soziale Gesundheit
Dr. Andreas Oberle, Klinikum Stuttgart

Porno, Sex und Männlichkeit. Männermedien und die sexuelle Gesundheit
Dr. Reinhard Winter, SOWIT Tübingen

Vulnerabilität oder Resilienz? Junge Männer – Migration – Gesundheit
Gunter Neubauer, SOWIT Tübingen

Sexuelle Gesundheitsbildung in der prakischen Arbeit mit Jungen* und jungen Männern*
Johannes Bayer, JUB Stuttgart

Fazit und Abschluss

Programm Fachtag „Gesundheit. Vielfalt. Männlichkeit“ · Heidelberg 22.03.24

Das Programm steht und wir freuen uns auf einen spannenden Fachtag mit interessanten Beiträgen der Referierenden und guten Diskussionen. Besonders freuen wir uns auch darüber, dass Dr. Arn Sauer, Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung, den Eingangsvortrag halten wird.

Teilnahme kostenfrei, Anmeldung erbeten unter philipp.zwick@histmed.uni-heidelberg.de

Herzliche Einladung – Gunter Neubauer und Dr. Christoph Schwamm

Gesundheit. Vielfalt. Männlichkeit. Was bedeutet Männergesundheit in Zeiten der Dekonstruktion? Fachtag Heidelberg, 22.03.24

Akteure, die zur Gesundheit von männlich gelesenen Menschen forschen, und/oder mit ihnen in der Praxis arbeiten, stehen vor einer schwierigen Aufgabe: Um handlungsfähig zu sein, müssen sie sich in die übergeordneten Strukturen der Wissenschaft und der Gesundheitsförderung eingliedern. Dabei hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten ein Wechsel vollzogen. Sowohl die Geschlechtergesundheitsforschung als auch die diesbezügliche Gleichstellungspolitik orientieren sich vermehrt an nonbinären Geschlechtermodellen. Diese zielen auf eine Dekonstruktion dual verfasster Leitbilder von Weiblichkeit und Männlichkeit ab.

Von Männergesundheitsforschung wird erwartet, ihr bislang binär festgelegtes Forschungsobjekt zu reflektieren und gegebenenfalls zu reformulieren. Zwar ist sie traditionell immer diversitätsorientiert gewesen. Ihr Fokus entstand jedoch in der Regel in Abgrenzung zu Menschen, die als Frauen gelesen werden. Transmänner oder nichtbinäre Personen werden trotz offenkundiger und substantieller thematischer Schnittmengen erst in jüngerer Zeit als relevante Gruppen betrachtet. Warum?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind es ähnliche generationsbedingte Konflikte, die eine Rezeption poststrukturalistischer Geschlechtermodelle auch in anderen sozialen Bewegungen erschweren – man denke etwa an den Umgang mit Transfrauen in Teilen der Frauenbewegung. Auch dort funktionierte die Identitätspolitik wesentlich über Exklusion, auch wenn die übergeordneten Ziele und Motive im historischen Kontext bewertet werden müssen.

Doch auf der anderen Seite gibt es pragmatische Gründe, an der Analysekategorie „Mann“ festzuhalten. Eine geschlechtersensible Betrachtung der Gesundheitsberichterstattung, etwa der Differenzen bei der Lebenserwartung, scheint eine zumindest vorläufige Abgrenzung aus heuristischen Gründen zu erfordern. Auch praktische Akteure in der angewandten Gesundheitsförderung wie Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen, die gezielt mit Jungen und Männern arbeiten, müssen sich auf das mehrheitliche Selbstverständnis und die meist cis-heteronormative Deutungswelt ihrer Zielgruppe einlassen, um beides effektiv ansprechen zu können. Dies gilt auch dann, wenn das eigentliche Beratungsziel eher auf eine Auflösung oder Relativierung rigider, gesundheitsbezogen riskanter Männlichkeitsleitbilder abzielt.

In jedem Fall sieht es gegenwärtig aus, als habe die Männergesundheitsforschung ein Kommunikations- wenn nicht sogar ein Kompatibilitätsproblem in ihrem Verhältnis zur aktuellen Geschlechtergesundheitsforschung. Dieser Fachtag möchte die Möglichkeit eröffnen, über Wege zu diskutieren, einerseits ihre Kategorienbildung fluider auszugestalten und andererseits Ziele und Motive männerbezogener Ansätze zu kommunizieren. Dafür sollen Expert*innen zur Gesundheit von Transmännern und nonbinären Menschen mit solchen aus der Männergesundheitsforschung zusammengebracht werden. 

Der Fachtag ist eine Kooperationsveranstaltung von

Er wird gefördert aus Mitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, und unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. Ein Detailprogramm folgt in Kürze.

Organisation: Dr. Christoph Schwamm (Heidelberg) und Gunter Neubauer (Tübingen)

Fachtag „Junge Männer und ihre Gesundheit“ am 17.11.23 in Stuttgart

Das Kompetenzzentrum Jungen- und Männergesundheit Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart laden mit ihren Kooperationspartnern zum Fachtag ein.

  • Termin: Freitag, 17. November 2023, 9.30 – 16.30 Uhr
  • Veranstaltungsort: Gesundheitsamt, Schloßstraße 91, 70176 Stuttgart

Teilnahme kostenfrei, Anmeldung unter gesundheitsfoerderung@stuttgart.de

Hintergrundinfo zu den beiden Vorträgen am Vormittag:

  • Dr. Thomas Gesterkamp ist u.a. Autor von Die Krise der Kerle. Münster 2007 und Geschlechterkampf von rechts. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2010. Homepage Thomas Gesterkamp
  • Prof. Dr. med. Kurt Miller war bis 2018 Direktor der Urologischen Klinik der Berliner Charité und u.a. Vorstandsmitglied der Deutschen Krebsgesellschaft sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Vorstand Stiftung Männergesundheit / Kurt Miller

Hintergrundinfo zu den Workshops am Nachmittag:

Männergesundheit ist Thema im Landesausschuss für Gesundheitsförderung und Prävention am 9. Oktober 2023

Unter der Überschrift „Männergesundheit fördern in Baden-Württemberg: Was noch zu tun ist. Aktivitäten, Erfahrungen, Desiderate zur proaktiven Männergesundheitsförderung“ haben wir Gelegenheit, bei der 11. Sitzung des Landesausschusses für Gesundheitsförderung und Prävention unter Vorsitz von Sozialminister Lucha vorzutragen. Für das komm b-w übernimmt Gunter Neubauer den Impulsbeitrag.

Zuvor spricht Carmen Kremer vom Landesfrauenrat Baden-Württemberg über Gendersensible Medizin – Gesundheitsförderung – Wo stehen wir 2023?

Nach der Ankündigung von Minister Lucha zu Beginn des Jahres, „Männergesundheit nochmal deutlicher in den Fokus zu nehmen“, sind wir gespannt auf die Diskussion und die Perspektiven.

Aufbau des Bereichs Männergesundheitsforschung an der Uni Heidelberg – Bitte um Unterstützung

Am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg wird der Bereich Männergesundheitsforschung auf- und ausgebaut. Damit beauftragt ist unser Netzwerkmitglied Christoph Schwamm.

Das Thema Geschlecht soll mehr als bisher im Studium und in der kommenden Approbationsordnung für Ärzt*innen verankert werden. Das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin in Heidelberg plant deshalb, das Thema Gesundheit von Männern in der Lehre zu verankern. Dazu sind folgende Schritte vorgesehen:  

1. Den Aufbau eines Bestandes in der Institutsbibliothek zur Geschichte und Ethik der Gesundheit von Männern.

2. Den Aufbau eines Bestandes in der Objektsammlung: Historische medizinische Objekte mit Männlichkeitsbezug, Memorabilia bzw. Erinnerungsstücke aus der Geschichte der Männer(gesundheits)bewegung.

3. Die Suche nach Dozent*innen (zunächst Mediziner*innen) zum Thema Männermedizin und Männergesundheit für die kommenden Lehrveranstaltungen.

Ich wäre dankbar für einschlägige Literaturlisten und Anschaffungsvorschläge – oder Überlassung von Objekten aller Art. Man darf das ruhig breit fassen: Von Interesse ist die gesamte Männerbewegung, insbesondere seit den 68ern bis in die Gegenwart. Auch was unwichtig erscheinen mag, ist von Interesse: Graue Literatur, Plakate, alte Fotografien, Redestöcke und -stäbe aus therapeutischen Männergruppen, Utensilien aus Schwitzhütten usw.

Wer über solche interessanten Dinge verfügt möge sich bitte melden!

Darüber hinaus werden Mediziner*innen oder andere Referent*innen mit Bezug zu Männermedizin und Männergesundheit gesucht.

Kontaktadresse:

Dr. phil. Christoph Schwamm

Im Neuenheimer Feld 327 | 69120 Heidelberg

christoph.schwamm@histmed.uni-heidelberg.de

Männergesundheit im Positionspapier zur Gleichstellungsstrategie Baden-Württemberg

Die Landesregierung will laut ihrem Koalitionsvertrag von 2021 „Gleichstellung weiter voranbringen“ und entwickelt deshalb eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie für Baden-Württemberg (S. 88).

Unser Dachverband männer.bw hat dazu ein Positionspapier verabschiedet, das die Bereiche Männer im Gleichstellungsprozess, Männer und Arbeit, Vaterschaft und Sorgearbeit, Männer und Bildung, Männer und Gesundheit, Männer und Gewalt – Gewaltbetroffenheit von Männern sowie Migration und Integration in den Fokus nimmt.

Die Federführung für den Abschnitt zur Männergesundheit lag naheliegend beim Kompetenzzentrum, wir dokumentieren ihn hier im Wortlaut.

5. Männer und Gesundheit

Baden-Württemberg belegt bei der Lebenserwartung und deren Differenz zwischen Männern und Frauen einen relativ guten Platz. Allerdings steigt bei gesundheitlich benachteiligten Männern das Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko auch hier in Abhängigkeit zur Einkommensposition überproportional. Bei Gesundheitsförderung und Prävention muss deshalb deutlich mehr auf diese Bedarfsgruppen geachtet und ihr Zugang in die Gesundheitsversorgung gezielt erleichtert werden.

In den meisten nichtkommerziellen Angeboten zur Gesundheits- und Körperbildung sind Männer deutlich unterrepräsentiert. Die verantwortenden Institutionen sind anzuhalten und zu fördern, Männer gezielt zu adressieren und eine geschlechtergerechte Gesundheits- und Körperbildunganzubieten.

Gleichzeitig sollten die im Land bereits tätigen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteure im Bereich der Männergesundheitsförderung unterstützt und dauerhaft gefördert werden.

In der Gesundheitsberichterstattung des Landes Baden-Württemberg sollten Männer- und Genderaspekte durchgängig und differenziert dargestellt werden. So wäre der Männergesundheitsbericht von 2015 fortzuschreiben. Aus seinen zentralen Empfehlungen ist neben der Suizidprävention vor allem die Verbesserung der Unfallprävention offen.

Das Landesgesundheitsamt sollte den Bereich der Männer- und Gendergesundheit stärker mit eigener Expertise besetzen und entsprechend ausgestattet werden. Die Kreisgesundheitsämter sind ebenfalls entsprechend zu qualifizieren. Die Präventionsstiftung des Landes sollte die Geschlechtergerechtigkeit in Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung zu einem vorrangigen Ziel machen.

Die geplante ressortübergreifende Strategie für die Gesundheitsförderung in Baden-Württemberg sollte die Männer-, Frauen- und Gendergesundheit als Leitperspektive entfalten und in Teilbereichen exemplarisch entwickeln.

Tag der ungleichen Lebenserwartung 10.12.22 zum Thema Jungengesundheit

UNSERE JUNGS! – DIE GESUNDEN MÄNNER VON MORGEN

Die Annahme, dass schon Jungen ihre Gesundheit zu wenig im Blick haben, ist weit verbreitet.

Aber wie wichtig ist es wirklich, dass Jungen (mehr) über die eigene Gesundheit nachdenken? Etwa 72 % der Jungen schätzen die eigene Gesundheit als gut bis sehr gut ein. Und in der Tendenz bestätigen die aktuellen Daten der Gesundheitsberichterstattung dieses optimistische Bild. Es gibt also eigentlich keinen Grund, höchst dramatische Appelle zu formulieren.

Sicher gibt es Jungen, die erkranken, manchmal schwer. Jungen können sich verletzen oder ein Suchtverhalten entwickeln. Und sicher gibt es auch keinen Jungen, der sich nicht auch mal schlecht fühlt, bedrückt oder traurig ist. Aber Jungesein an sich ist keine Krankheit. Weder körperlich noch psychisch.

Wichtig ist es umso mehr, Jungen in ihrem gesunden Heranwachsen zu stärken und sie in einer positiven Entwicklung zu unterstützen. Denn in der Kindheit und Jugend werden die Grundlagen für das weitere Leben gelegt. Das gilt auch für die Wahrnehmung ihres eigenen Körpers, ihrer Empfindungen und ihrer sozialen und salutogenetischen Ressourcen.

Aus diesem Grund ist die Kampagne zum Tag der ungleichen Lebenserwartung in diesem Jahr der Jungengesundheit gewidmet.

Die Texte für die Kampagne stammen von Gunter Neubauer und Dr. Reinhard Winter vom Sozialwissenschaftlichen Institut Tübingen.

Neuerscheinung: 5. Männergesundheitsbericht „Junge Männer und ihre Gesundheit“

Der 5. Männergesundheitsbericht der Stiftung Männergesundheit mit dem Titel „Junge Männer und ihre Gesundheit“ ist veröffentlicht. Dazu wurde erstmalig für einen Männergesundheitsbericht eine eigene Studie durchgeführt. Sie liefert aktuelle Informationen zur Frage, wie es um die körperliche und psychische Gesundheit von jungen Männern bestellt ist, auch im Vergleich zu jungen Frauen.

In einer wissenschaftlich fundierten, interdisziplinären Erhebung wurden 3.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 28 Jahren befragt, darunter über 2.100 Männer. Die Studienergebnisse wurden außerdem aus interdisziplinärer Perspektive (Medizin, Psychologie, Soziologie, Pädagogik) eingeordnet und kommentiert, u.a. auch durch Mitglieder des komm b-w.

Mit einem Fokus auf junge Männer zwischen 16 und 28 Jahren nimmt die Studie eine Altersgruppe in den Blick, die oft zu wenig Aufmerksamkeit in der Gesundheitsförderung und Prävention bekommt.

Dabei widerlegt der 5. Männergesundheitsbericht Klischees, nach denen „die Männer“ immer noch insgesamt weniger gesundheitsbewusst und deutlich risikoreicher leben als Frauen. Nur noch knapp jeder vierte unter den befragten jungen Männern hängt dem Muster eines dominant-maskulinen Rollenbilds an. Diese Männer müssen am ehesten mit starken Gesundheitsbelastungen rechnen, da sie wenig auf ihren Körper und ihre psychische Belastung achten. Sie brauchen deshalb besondere präventive Aufmerksamkeit und eigene Zugänge im Bereich der Gesundheitsförderung und -bildung.

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe

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